Wer sich ständig äussert, hat bald nicht mehr viel zu sagen

Kameras, Mikrofone und begierige Zuhörer: Die mediale Bühne ist für Führungskräfte eine kommunikative Chance und eine riskante Versuchung zugleich. Foto: Shutterstock

Manche Führungspersönlichkeiten sind ständig in den Medien, sei es aus Geltungsdrang oder wegen dem Übereifer ihrer Mediensprecher. Doch mediale Schwatzhaftigkeit – zu allem eine Meinung, zudem immer wieder eine andere – beschädigt langfristig die eigene Autorität und Glaubwürdigkeit. Das Beispiel von Peter Spuhler, dem Patriarchen der Stadler Rail AG, zeigt, wie schwierig es ist, den Verlockungen der Medien zu widerstehen.

Von HANS KLAUS

«Hauptsache in der Zeitung – und der Name ist richtig geschrieben.» Das war immer der PR-Ansatz von Showstars der zweiten und dritten Garnitur: Mediale Aufmerksamkeit um jeden Preis, und wenn die eigenen Erfolge dafür nicht ausreichen, dann mit kontroversen Meinungsäusserungen oder privaten Angelegenheiten. «An die Details wird man sich schon bald nicht mehr erinnern, aber der Name bleibt im Gespräch», ist die Kalkulation dahinter, die allerdings nicht immer aufgeht. Inzwischen treibt es aber auch Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft dahin – aus Geltungsdrang oder wegen dem Übereifer ihrer Mediensprecher.

Verschiedene prominente Schweizer liessen sich hier als Beispiele nennen, darunter Peter Spuhler, Verwaltungsratspräsident der Stadler Rail AG, langjähriger SVP-Politiker und Nationalrat. Spuhler ist ständig in den Medien und hat zu allem eine Meinung, zudem oft immer wieder eine neue. Etwa zur Erbschaftssteuerinitiative: «Die Juso zwingen mich, auszuwandern», erklärte er am 6. Juli 2024 im Tages-Anzeiger. Am 4. November 2025 diskutierte er in der FuW öffentlich die Vor- und Nachteile verschiedener Auswandererziele – Österreich, Dubai, Lichtenstein, Italien, Spanien – und meinte: «Ich warte jetzt mal ab. Aber ich habe abgeklärt, welche Möglichkeiten es gibt.» Nur zwei Tage später im Tages-Anzeiger: «Es ist nicht mehr nötig, dass ich präventiv auswandere.» 

Das Versprechen des US-Präsidenten Trump, den Ukraine-Krieg in 24 Stunden zu beenden, bezeichnete er bei einem Symposium im November 2024 in Zürich als «Witz». Und: «Das ist ja nicht der einzige Witz, den er von sich gibt.» Die Medien griffen das begierig auf. Der BLICK bekam ein eigenes Interview, in dem Peter Spuhler ausführte, Trump sei «mit seiner flegelhaften und sprunghaften Art dem Amt eines US-Präsidenten unwürdig». Im Mai 2025 wollte er seine Bewertung nicht mehr auf die Kritik reduziert sehen: «Ich habe gesagt, Trump macht einige Sachen sehr gut.» Im SRF «Eco Talk» lobte er die Schweizer Delegation für ihre US-Mission («guten Job gemacht»), empfahl den Kauf der F-35-Kampfflugzeuge («unbedingt»), hatte Tipps für die Industrie (»Wir müssen uns permanent neu erfinden») und die Schweiz insgesamt: »Jetzt müssen wir den Gürtel enger schnallen und kämpfen.»

Ständige Medienpräsenz entwertet die Autorität

Für die klassischen und sozialen Medien sind prominente Wortführer, die sich mit scharf umrissenen Ansichten positionieren und kontroverse Ansichten nicht scheuen, ein publizistischer Festschmaus: Sie sorgen für Diskussionen und Reichweite, für billig produzierte, da recherchefreie, aber aufmerksamkeitsstarke Inhalte. Allerdings heisst es schon in einem Gedicht von Goethe: «Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen.» Zeitgemäss übersetzt: Wer sich als Medienfutter anbietet, wird gern vernascht, verliert aber selbst an Substanz. Ständige Medienpräsenz entwertet die Bedeutung der Worte, nimmt ihnen das Gewicht. Wer sich zu allem und jedem äussert, erweckt bald den Eindruck, eher auf die Aufmerksamkeit und den Effekt aus zu sein, als dass er substanzielle Überzeugungen teilen würde.

Zudem führen ständige öffentliche Kommentare unvermeidbar zu kurzlebigen Aussagen. Sie werden schnell von den Ereignissen – oder veränderten persönlichen Ansichten – überholt, müssen «erklärt» (umgedeutet) oder ganz revidiert werden. Das beschädigt langfristig die Autorität und Glaubwürdigkeit einer Führungspersönlichkeit. Hat sie dann wirklich einmal etwas Wichtiges zu sagen, geht es unter, weil sie sich schon vorher ständig geäussert hat. Speziell in der Schweiz mit ihrem Milizsystem haben viele Führungskräfte zudem heikle Mehrfachfunktionen, sind etwa Unternehmensleiter, Politiker und Verbandsfunktionäre zugleich. Hier ist es besonders wichtig, die Botschaften, Auftritte und medialen Äusserungen für die unterschiedlichen Funktionen schlüssig und überlegt aufeinander abzustimmen.

Oft sind es übereifrige Mediensprecher und -berater, die zu möglichst vielen Medienauftritten drängen. Sie bewerten selbst Berichte zum Privatleben – schwierige Kindheit, Geständnisse zu Gesundheits- oder Eheproblemen, neue Liebe, Blick ins Privathaus – als Erfolg, man würde damit «menschlich rüberkommen». Aus Sicht der Krisenkommunikation sollten sich Führungspersönlichkeiten stattdessen immer fragen: Was hat das Unternehmen davon, für was nützt es? Empfehlenswert sind ausgewählte, gezielte Medienauftritte, in denen es immer zuerst um die Sache geht: Die Strategie des Unternehmens, Informationen zu organisatorischen oder personellen Veränderungen auf höchster Ebene, strategisch bedeutsame Lancierungen (z. B. neues Geschäftsfeld). Alles andere befriedigt die persönliche Eitelkeit und die Neugier der Journalisten, aber zu einem hohen Preis.